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Sammelblog zur Spielkultur

 

essay

Das Leben ist ein Spiel. Dass, Memento mori, irgendwann gestorben sein muss, könnte sich nach einem Besuch der Ausstellung "game_over - Spiele, Tod und Jenseits" im Kasseler Museum für Sepulkralkultur als Motor für den Spieltrieb des Homo ludens, des spielerischen Menschen, deuten lassen. Wer die 13. Karte zieht, gewinnt den Tod. Gestorben wird deshalb aber noch lange nicht. Im Tarot, einst vermutlich ein ganz gewöhnliches italienisches Kartenspiel mit verloren gegangenen Regeln, bedeutet der Sensenmann auch den späteren Kartenlegern und Wahrsagern besser nicht, dass ihre Kunden und Anhänger zukünftig spornstreichs in die Kiste springen müssen. Denn wer lässt sich schon gerne den eigenen Tod vorhersagen und zahlt auch noch dafür?
[von Heide Platen]

Nach der Ästhetisierung des Alltagslebens entdeckt die Erlebnisgesellschaft einen neuen Reiz: Die Verantwortung

Das waren noch Zeiten, als Spiel und Ernst sich ohneweiters unterscheiden ließen!

Damals standen die Denk-Zäune noch regelrecht unter Strom: hier die Arbeit, dort das Spiel. Hier die Rede vom Leben, das ernst, und von der Kunst, die heiter sei. Dort der Spruch vom Menschen, der nur da ganz Mensch sei, wo er spiele. Hüben der heilige Ernst (auch wenn er vielleicht nur verkappter Bierernst war), der Alltag, die Arbeit, der unausweichlich schaffende Homo faber, des Lebens ernstes Führen; drüben der Nicht-Ernst und die Nicht-Arbeit, der Homo ludens in seinem Spielraum, der seelenvergnügte Spieler in seinem Kultur-Revier, seinem Kinderparadies, seinem Spaß-Reservat. Hüben das herbe Müssen, drüben das süße Müßige. Und wer sich an der Abzäunung dazwischen vergriff, der kriegte eins auf die Finger, Schlag auf Schlag.
[von Sigrid Löffler]

Hätten die französischen Aristokraten nur mit ihren Bauern Cricket gespielt, so der große britische Historiker George Macaulay Trevelyan, dann wären 1789 ihre Schlösser nicht niedergebrannt worden. Im Commonwealth gerieten Testspiele gegen England früh zu dramatischen Inszenierungen ethnopolitischer Spannungsverhältnisse. Hier, und nur hier, begegnete man sich auf gleicher Augenhöhe.
[von Jürgen Kaube]

Weltkulturerbe? Videogames haben eine extrem geringe Toleranz gegenüber Unterbrechungen ihrer Überlieferungskette

Die Kinder heutzutage, wird oft gejammert, beschäftigten sich viel zu wenig mit den Klassikern. Aber das ist glatt gelogen: Überall hocken und stehen sie doch herum, mit ihren Game Boy Advanceds und ihren spieletauglichen Handys und haben Mario, Pac-Man, Doom auf dem Display. Eine rechte Freude ist's für jeden Game-Nostalgiker, wenn man so sieht, wie begeistert (und aus eigenem Antrieb!) sich die Kleinen um die Traditionspflege kümmern. Das macht wahrhaft Hoffnung, dass die eigene Videospieler-Jugend nicht den Weg alles Siliziums geht und im Nichts versandet. Dass statt dessen die Spiele-Meisterwerke vergangener Tage tatsächlich eine Zukunft haben. Sie wirklich so etwas wie Klassiker-Status erhalten und von Generation zu Generation ehrfurchtsvoll weitergereicht werden.
[Thomas Willmann]

Über die Abhängigkeit von Mensch und Technologie in der elektronischen Freizeit

[...] Ein wenig erinnert dieser Moment an Josef Rusnaks Film "The Thirteenth Floor", in dem Menschen einige Male an ein ähnlich physisches Ende ihrer Welt gelangen und hilflos feststellen, dass sie in einer Simulation gefangen sind. Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen diesem filmischen Nachfühlen einer Spielwelt und ihrem tatsächlichen Erfahren in "Ultima Ascension". Im Film ist der Mensch hilflos, ganz wie man sich für gewöhnlich die Gefangenen sogenannter virtueller Realitäten vorstellt. Doch im Spiel ist es die Technologie, die uns hilflos gegenübersteht. Aus der Grauzone an ihrem Rand gibt es Wege, auf denen man unter die Oberfläche der Spielwelt zurückkehren kann.
[von Konrad Lischka]

Die Computerspielehersteller fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt

Ein Mann sitzt gefesselt auf einem Stuhl. Er wird angebrüllt und geschlagen. Im selben Raum duscht eine Frau. Jedes Mal, wenn der ältere Mann zur Frau in die Dusche steigt, schlägt der junge Mann den Gefesselten erbarmungsloser. Der stöhnt auf. Ein Leibwächter füttert einen Affen mit Nüssen. Dann explodiert eine Bombe. Sie erwischt nur den Mann auf dem Stuhl. Er wird losgeschnitten, gleitet fast leblos zu Boden und kriecht noch ein paar Meter weiter, bevor ihm ein bewaffneter Leibwächter ("Der ist hin") in den Kopf schießt.
Sinnlos? Brutal? Menschenverachtend?
Was ist aber, wenn es sich bei dieser Szene um ein von Frank Castorf inszeniertes Theaterstück in der Berliner Volksbühne handelt? Und was wäre, wenn das Werk "Schmutzige Hände" heißt und von Jean Paul Sartre wäre?
[von Thomas Feibel]

Wer falsch spielt, verschafft sich den entscheidenden Vorteil: Er kann die Spielregeln, wie der Missbrauch einer Verfassung, unterwandern, um am Ende das Spielbrett über den Haufen zu werfen. - Leitartikel

Nichts ist ernster als das Spiel, vom Spiel mit dem Tode bis zum Schachspiel, vom Schauspiel bis zum Kinderspiel, vom Great Game der Weltmächte um Öl und Pipelines zu den Global Players in der Wirtschaft Wer das Spiel nicht ernst nimmt, tut es auf eigene Gefahr.
[von Michael Stürmer]

Das Kartenspiel gehört also hierher. Martial, Schiller, Nietzsche, Bergson, Huizinga haben die Bedeutung des Spiels im täglichen Leben und für unser psychisches Gleichgewicht hervorgehoben. Die Knöchelchen-, Dame-, Würfelspieler in der Antike und später die Kartenspieler waren davon schon lange überzeugt.

Die französische «belote», die italienische «scopa», der englische «whist», der «Jass», der in der Schweiz problemlos die Sprachgrenzen überschreitet, und nicht zu vergessen die «Patience», Einsamkeit und Langeweile vertreibend, und die Wahrsagerei, anregend oder beruhigend, spielen eine gesellschaftliche Rolle, deren Wichtigkeit unterschätzt wird. Suchen Sie mal in der Schweiz ein Haus, in dem es keine Spielkarten gibt!
[von Nicolas Bouvier]

Das Labyrinth als Bild der Wandlung

Wer heute die Bögen und Kehren des Labyrinths von Chartres nachgeht und erlebt, eingetaucht in das wunderbare farbige Licht dieser großen Kathedrale, kann von einem Ahnen ergriffen werden, so wie es vielleicht auch vor den Pyramiden in Gise oder dem Parthenon in Athen erlebbar ist. Dieser Ort, dieser Weg des Labyrinths hat einen inneren Zusammenhang mit mir als Mensch, mit der Entwicklung meiner selbst und unserer Kultur, ja mit dem Werden und Fortschreiten der gesamtenMenschheit. Gibt es eine Möglichkeit im Umgang mit dem Labyrinth, dieses Ahnen zu konkreten, greifbaren, heute verständlichen Bildern zu verdichten? Ein Labyrinth ist kein Irrgarten. Wer das Labyrinth von Chartres läuft, erlebt keine Irrwege, sondern einen Weg, der rhythmisch mit seinen Bögen und Kehrtwendungen gegliedert ist, und auf dem längsten möglichen Weg auf engstem Raum sicher und eindeutig ins Innere führt. Wenn das Sich-verirren- Können nicht die Aufgabe des Labyrinths ist, worin liegt dann die Bedeutung, die Aufgabe dieses faszinierenden Weges? Dieser Weg selbst hat eine Entwicklung durchgemacht, an der vielleicht am ehesten das, was uns in Chartres ergreift, anschaubar wird. Woraus hat sich dieser Weg entwickelt, der mit dem Weg von Chartres eine äußere Vollendung und Vollkommenheit erreicht? Wohin und wie hat sich dieser äußere Weg nach Chartres entwickelt und wird er sich weiter entwickeln?
[von Lothar Bracht]
zuerst erschienen in: "Die Drei", 1/00

Bereits im alten China maß man an dem rechteckigen Brett Intellekt und Willenskraft.
[...] Das Brettspiel Go verlangt genausoviel Konzentration, geistiges Durchhaltevermögen und schiere Willenskraft wie Schach und ist ein ebenso unerbittlicher Kampf unter Aufbietung allen strategischen und analytischen Könnens. Die Züge werden mit Gewaltbegriffen benannt. Es geht um Gebietsinvasion, Angriff, Verteidigung, um das Gefangennehmen und Schlagen von Steinen, um "lebende" und "tote" Steine. Gleichwohl verquickt Go Kampfeslust mit Kunst. "Dieses Spiel von Schwarz auf Weiß, Weiß auf Schwarz wird zur schöpferischen Kunst", schrieb der japanische Nobelpreistrager Yasunari Kawabata. "Es hat geistigen Fluß und musikalische Harmonie .... Man kann ein Meisterwerk von einer Partie durch Mangel an Gespür für die Gefühle des Gegners verlieren." Für die Romantiker in der Go-Welt haben Sieg oder Niederlage keine Bedeutung: ihnen geht es um die Suche nach der Wahrheit auf dem Brett.
Aus: Das Beste aus Reader's Digest, Nr.4, 1994
[Von: Tim Ward]

 
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