essay
Komplexe Erzählungen statt blinder Zerstörungswut: Wie sich die Welt der Computerspiele verändert
Das Spiel folgt der Welt - im Abstand von ein paar Tagen. Wer jetzt mit Microsofts Flight Simulator ein Flugzeug über Manhattan steuert, sieht zwar keine Ruinen, aber auch kein World Trade Center mehr. Kurz nach den Attentaten hatte die Firma angekündigt, die zerstörten Türme aus der Cockpit-Simulation zu entfernen, die wegen ihres Realismus auch von Flugschulen geschätzt wird. Der Schock der Anschläge hat auch andere Spielehersteller zu Korrekturen veranlasst, sie verzögern den Verkaufsstart von Titeln, die an die Attentate erinnern könnten, entschärfen die Bilder. Das Ballerspiel Crime Patrol, in dem Polizisten Jagd auf Terroristen machen, wird wohl gar nicht veröffentlicht.
[Von Martin Virtel und Kai Deissner]
Das Spiel folgt der Welt - im Abstand von ein paar Tagen. Wer jetzt mit Microsofts Flight Simulator ein Flugzeug über Manhattan steuert, sieht zwar keine Ruinen, aber auch kein World Trade Center mehr. Kurz nach den Attentaten hatte die Firma angekündigt, die zerstörten Türme aus der Cockpit-Simulation zu entfernen, die wegen ihres Realismus auch von Flugschulen geschätzt wird. Der Schock der Anschläge hat auch andere Spielehersteller zu Korrekturen veranlasst, sie verzögern den Verkaufsstart von Titeln, die an die Attentate erinnern könnten, entschärfen die Bilder. Das Ballerspiel Crime Patrol, in dem Polizisten Jagd auf Terroristen machen, wird wohl gar nicht veröffentlicht.
[Von Martin Virtel und Kai Deissner]
Die berühmteste Bestimmung des Spiels ist zugleich die mit der größten Emphase: "Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."
Friedrich Schiller wollte mit dieser hoch idealistischen Anthropologie, in der sich Mensch und Spiel wechselseitig definieren, auf die radikale Freiheit des Menschengeschlechts hinaus. Nicht weniger als die Vervollkommnung der Gattung steht im Horizont der "ästhetischen Erziehung des Menschen". Spiel - das sei die Freiheit von allen Nutzenerwägungen, von jeder Zweck-Mittel-Relation. Die Selbstverwirklichung der Gattung steht jenseits aller denkbaren Kataloge von Zwecken - sie ereignet sich spielerisch in den Künsten.
[Autor: RUDI THIESSEN]
Friedrich Schiller wollte mit dieser hoch idealistischen Anthropologie, in der sich Mensch und Spiel wechselseitig definieren, auf die radikale Freiheit des Menschengeschlechts hinaus. Nicht weniger als die Vervollkommnung der Gattung steht im Horizont der "ästhetischen Erziehung des Menschen". Spiel - das sei die Freiheit von allen Nutzenerwägungen, von jeder Zweck-Mittel-Relation. Die Selbstverwirklichung der Gattung steht jenseits aller denkbaren Kataloge von Zwecken - sie ereignet sich spielerisch in den Künsten.
[Autor: RUDI THIESSEN]
Was nicht mühevoller Plackerei entspringt, zählt nichts, glaubt der Teutone.
Ein Irrtum, wusste schon Thomas von Aquin. Der Homo ludens darf als weiser Mensch gelten. Es scheint gegenwärtig nicht der richtige Augenblick, um über die Weisheit des Spiels nachzudenken. Manchen wird ein solcher Versuch in Zeiten notwendiger Flexibilisierung der Arbeitswelt geradezu unmoralisch erscheinen. Haben wir in Deutschland nicht alle Hände voll zu tun? Geht es jetzt nicht darum, vereinte Kräfte zu mobilisieren, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen? Und da wird hier so viel Wesen um das Spiel gemacht . . .
[Autor: THOMAS BROSE]
Ein Irrtum, wusste schon Thomas von Aquin. Der Homo ludens darf als weiser Mensch gelten. Es scheint gegenwärtig nicht der richtige Augenblick, um über die Weisheit des Spiels nachzudenken. Manchen wird ein solcher Versuch in Zeiten notwendiger Flexibilisierung der Arbeitswelt geradezu unmoralisch erscheinen. Haben wir in Deutschland nicht alle Hände voll zu tun? Geht es jetzt nicht darum, vereinte Kräfte zu mobilisieren, um den Karren aus dem Dreck zu ziehen? Und da wird hier so viel Wesen um das Spiel gemacht . . .
[Autor: THOMAS BROSE]
Die neue Jugendkultur als Feindbild der Medien - Gesellschaft in Erklärungsnot
Nicht erst seit den Massakern an inzwischen diversen US-Schulen ist Jugendgewalt eines der ganz großen Medienthemen. Denn wenn Minderjährige zur Waffe greifen, gerät die Gesellschaft in Erklärungsnot. Und es lässt sich vortrefflich über Ursachen spekulieren: Während in den 50er- und 60er-Jahren Comics ein schlechter Einfluss auf den Nachwuchs nachgesagt wurde, standen später Kino- und Videofilme als Vorlage für den ein oder anderen Amoklauf in der Verantwortung. In jüngster Zeit sind nun Video- und Computerspiele die Sündenböcke für die schwer fassbaren Gewaltausbrüche.
[von Bertram Küster]
Nicht erst seit den Massakern an inzwischen diversen US-Schulen ist Jugendgewalt eines der ganz großen Medienthemen. Denn wenn Minderjährige zur Waffe greifen, gerät die Gesellschaft in Erklärungsnot. Und es lässt sich vortrefflich über Ursachen spekulieren: Während in den 50er- und 60er-Jahren Comics ein schlechter Einfluss auf den Nachwuchs nachgesagt wurde, standen später Kino- und Videofilme als Vorlage für den ein oder anderen Amoklauf in der Verantwortung. In jüngster Zeit sind nun Video- und Computerspiele die Sündenböcke für die schwer fassbaren Gewaltausbrüche.
[von Bertram Küster]
Die Deutschen geben schon heute mehr für Computer- und Videospiele aus als fürs Kino. Die digitale Ästhetik wird die ganze Popkultur verändern.
In diesem Moment wusste der Golfspieler Tiger Woods, dass er es in der Weltrangliste der populärsten Sportler nach ganz oben geschafft hatte. Nicht, als er das erste Mal das Cover der Zeitschrift "Time" zierte. Nicht, als die erste Biografie über ihn erschien. Sondern als er als Kunstfigur in einem Computerspiel verewigt wurde.
[weiter im Kulturspiegel]
In diesem Moment wusste der Golfspieler Tiger Woods, dass er es in der Weltrangliste der populärsten Sportler nach ganz oben geschafft hatte. Nicht, als er das erste Mal das Cover der Zeitschrift "Time" zierte. Nicht, als die erste Biografie über ihn erschien. Sondern als er als Kunstfigur in einem Computerspiel verewigt wurde.
[weiter im Kulturspiegel]
Streetsoccer-Turniere schießen wie Pilze aus dem Boden. Doch nicht jeder Fußball, der auf der Straße gespielt wird, ist auch wirklicher Straßenfußball. Talente jedenfalls findet man hier meist nicht
[Markus Völker - taz]
[Markus Völker - taz]
Glückliche Ausrutscher, Spiele am Abgrund, Tore in letzter Minute. Wie gut oder schlecht die deutsche Nationalelf wirklich ist, weiß niemand. Nicht einmal sie selbst
[Verwirrungsspiel - Essay von Helmut Schümann]
[Verwirrungsspiel - Essay von Helmut Schümann]
Der Homo boulette ist kein Mensch für Grill oder Pfanne, sondern einer, der Kugeln wirft: stählerne Boules von gut einem Kilogramm Gewicht. Freizeitsportler sagen auch italienisch Boccia zum Boulespiel, Fachleute bevorzugen das Pétanque. Der Begriff stammt aus dem Provençalischen und heißt so viel wie geschlossene Füße. Ein Sport für Müßigsteher also.
[Prof. Hirsch-Wurz über den Bouler]
[Prof. Hirsch-Wurz über den Bouler]
Millionen erliegen dem Reiz des Reizens
Wie das eben so geht mit den Enkeln: Der Wonneproppen, der da gerade noch im Kinderwagen saß, wird demnächst 15 und müsste von Alters wegen den Besuch bei Oma reichlich uncool finden. Auch die Aussicht auf eine Tafel Schokolade oder ein bisschen Kleingeld "fürs Sparschwein" kann Teenager nicht mehr locken. Wenn Rüdiger seine bald 80-jährige Großmutter und deren Schwester trotzdem gern besucht, dann nicht zu Kaffee und Kuchen, sondern zum Zocken. Alle drei spielen leidenschaftlich gern Skat. Die beiden alten Damen gehören zu einer Generation, die Frauen im Wirtshaus für ungehörig hält, zudem wollen die Beine nicht mehr so recht und die Ohren und die Augen... Kurzum: Der dritte Mann muss schon ins Haus kommen. Dann liegen die Karten auf der Spitzendecke bereit, der Bleistift ist gespitzt, es kann losgehen.
[Essay von Rudi Kellner]
Wie das eben so geht mit den Enkeln: Der Wonneproppen, der da gerade noch im Kinderwagen saß, wird demnächst 15 und müsste von Alters wegen den Besuch bei Oma reichlich uncool finden. Auch die Aussicht auf eine Tafel Schokolade oder ein bisschen Kleingeld "fürs Sparschwein" kann Teenager nicht mehr locken. Wenn Rüdiger seine bald 80-jährige Großmutter und deren Schwester trotzdem gern besucht, dann nicht zu Kaffee und Kuchen, sondern zum Zocken. Alle drei spielen leidenschaftlich gern Skat. Die beiden alten Damen gehören zu einer Generation, die Frauen im Wirtshaus für ungehörig hält, zudem wollen die Beine nicht mehr so recht und die Ohren und die Augen... Kurzum: Der dritte Mann muss schon ins Haus kommen. Dann liegen die Karten auf der Spitzendecke bereit, der Bleistift ist gespitzt, es kann losgehen.
[Essay von Rudi Kellner]
Die Unabhängigkeit errang Brasilien bereits im Jahre 1889. Doch der eigentliche nationale Gründungsakt, darin sind sich die meisten Brasilianer einig, ereignete sich am 29. Juni 1958: An diesem Tag schlug die brasilianische Fußballnationalmannschaft die gastgebende schwedische Auswahl mit 5:2 - und wurde erstmals Weltmeister.
[Artikel von João Ubaldo Ribeiro]
[Artikel von João Ubaldo Ribeiro]